The Scottish Country Dance
Einige Anmerkungen zu Herkunft und Geschichte


(Dies ist meine ganz persönliche Sicht der Dinge - Tom)

Warum heißt es "Country" Dance?

Die erste Überraschung bei etwas gründlicherer Beschäftigung mit Scottish Country Dancing ist die, dass nur die Deutschen von "Volks"tanz sprechen, schottische "Volks"tänzer sich aber den Begriff Scottish Folk Dancing ausdrücklich verbitten. Der schottische Tanz in seiner noch heute bekannten Ausprägung kam gerade in den Jahren groß in Mode, als die Highland Clearances, also die Vertreibung des einfachen Volkes vom Lande in vollem Gange war. Während die wieder erstarkende Schicht der Großgrundbesitzer den armen Leuten vom Lande, die zur Zeit des feudalen Clan-Systems treu hinter ihnen gestanden hatten und mit den Clan-Chiefs in den Krieg gezogen waren, im Winter die Dächer von den Häusern rissen, um auf dem frei werdenden Gelände die profitableren Schafe anzusiedeln, schickten sie ihre Töchter in die Ballsäle der wenigen Städte, wo sie Petronella tanzten oder die schneidigen Highland-Offiziere beim Reel of Tulloch bewunderten.

Scottish Country Dancing ist Ballroom Dancing, und viel erinnert auch heute noch daran, auch wenn junge deutsche Studenten sich in Münster, Bonn oder Würzburg zum schottischen Tanzball treffen: Der einleitende Akkord zu jedem Tanz für Knicks und Verbeugung, die höflich-höfische Aufforderung und das Geleiten der Dame zum Set, überhaupt die ganze Ballsaal-Etikette. Wie anders und um wieviel weniger höfisch und formell tanzen doch die Iren, obwohl die Struktur ihrer Tänze und vor allem der begleitenden Musik die gemeinsamen Wurzeln sehr deutlich offenbaren.

Die zweite Überraschung ist vielleicht die, dass das "Country" in "Country Dancing" nicht das geringste mit dem Lande oder mit Ländlichem zu tun hat. Verfolgt man die Geschichte dieser Tänze zurück, so stößt man irgendwann auf einen Typ von Tänzen, bei dem sich die Partner gegenüberstehen. In Paris hieß diese Tanzform Contre Danses, in Deutschland sprach man von Kontertänzen. Die höfischen Tänze Frankreichs wurden gerade nach den napoleonischen Kriegen ab etwa 1815 auf den gesamten britischen Inseln sehr populär. Der Begriff "Country Dance" könnte also als eine Verballhornung des französischen "Contre Danse" gesehen werden.


Viele Volkstanzformen sind in ihren traditionellen Mustern erstarrt. Warum nicht der Schottische Tanz?

Ohne Zweifel ist der Schottische Tanz heute eine sehr dynamische Tanzform. Inzwischen gibt es Tausende von Tänzen, und es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht irgendwo auf der Welt ein neuer schottischer Tanz veröffentlicht wird. Dass Tänze choreographiert oder "komponiert" werden ist ja an sich nichts Neues - schließlich wurden auch die heutigen Klassiker irgendwann als Innovationen auf Bällen eingeführt. Die explosionsartige Vermehrung seit den sechziger Jahren ist allerdings erstaunlich.

Vielleicht lieferte der Reel of the 51st Division dazu den entscheidenden Anstoß. Von schottischen Kriegsgefangenen war der Tanz im Zweiten Weltkrieg im deutschen Gefangenenlager Laufen entwickelt worden und trug zunächst den Arbeitstitel "Reel of Laufen". Er wurde im ersten Buch, das die Royal Scottish Country Dance Society nach dem Kriege unter dem Namen Victory Book herausbrachte, veröffentlicht und war der erste "offizielle" Tanz, der nicht auf historische Quellen zurück ging. Wenige Jahre später brachten die großen schottischen Tanzkomponisten unserer Zeit ihre ersten Sammlungen mit neu geschriebenen Tänzen heraus, und in den sechziger Jahren reagierte die Society auf diese Entwicklung, indem sie zwei Bände mit den bezeichnenden Titeln Twelve Modern Scottish Country Dances in Traditional Form veröffentliche.

Inzwischen scheint es fast zum guten Ton zu gehören, Tänze neu zu entwickeln und sie zumindest auf den Ballprogrammen der eigenen Gruppen zu platzieren; deutsche dancing masters machen da keine Ausnahme. Manche ihrer Kreationen stehen den großen Vorbildern aus Schottland an Qualität und Ausdruck in Nichts nach und sind in das weltweite Repertoir eingegangen.

Noch Fragen?

Schickt uns Eure Fragen zum Schottischen Tanz.

Thomas Stork



erstmals erstellt: 28.1.2001; zuletzt überarbeitet: 20.4.2001
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